Nationalismus

Auswertung der Bundestagswahl 2021 in & um Leipzig

24.12.2021

Zusammenfassung
Am 26. September 2021 wurde der 20. Deutsche Bundestag gewählt. Das nahmen wir Anfang September zum Anlass, einen Blick auf die Kandidat*innen verschiedener faschistischer und extrem rechter Parteien sowie solcher aus dem verschwörungsideologischen Spektrum aus dem Raum Leipzig zu werfen. In diesem Text folgt eine kurze Auswertung der Wahlergebnisse dieser Parteien. Aufgrund der hohen Stimmenverluste der CDU wird die AfD sowohl bei den Erst- als auch Zweitstimmen stärkste Partei in Sachsen, obwohl sie selbst Stimmenverluste erfährt. Aufgrund der vielen Direktmandate der AfD, werden keine Kandidat*innen über die Landesliste (2.-Stimmen) in den Bundestag einziehen. Andere extrem rechte und verschwörungsideologische Parteien sind bedeutungslos wegen niedriger Wahlergebnisse.

Wie schon bei der vorherigen Bundestagswahl vor vier Jahren landet die AfD auch bei dieser Parlamentswahl in Sachsen vor allen anderen Parteien. Mit einem Zweitstimmenergebnis von 24,6 Prozent, was rund 600.000 Wähler*innenstimmen entspricht, liegt sie rund fünf Prozentpunkte vor der zweitplatzierten SPD sowie der auf den dritten Platz abgerutschten CDU. Allerdings hat die AfD gegenüber 2017 2,4 Prozentpunkte verloren, was einem Rückgang um immerhin 60.000 Stimmen entspricht. Deshalb sinkt die Zahl ihrer gewonnenen Mandate von 11 auf 10. Nur bei den Erststimmen legt die Partei leicht um 0,3 auf 25,7 Prozent zu. Dieser minimale Zuwachs liegt aber vor allem daran, dass die AfD 2017 im Wahlkreis Zwickau den bereits nominierten Direktkandidaten noch vor der Wahl zurückgezogen hatte.


Andere faschistische und (extrem) rechte und verschwörungsideologische Parteien wie die der Dritte Weg, die NPD oder die Basis verfehlen mit Ergebnissen zwischen 0,2 und 1,5 Prozent klar den Einzug in den Bundestag (nähere Aufschlüsselung der Wahlergebnisse am Ende des Beitrags). Aufgrund der gravierenden Verluste der CDU in Sachsen (knapp 10 Prozentpunkte weniger bei den Zweitstimmen, bei den Erststimmen -8,4 Prozentpunkte) kann die AfD diesmal in 10 von 16 sächsischen Wahlkreisen das Direktmandat (Erststimmen) gewinnen. Das sind alles Wahlkreise außerhalb der drei Großstädte Leipzig, Chemnitz und Dresden sowie dem Vogtlandkreis. Die Kandidat*innen der AfD kommen dabei auf Erststimmenergebnisse von rund 25 Prozent (Landkreis Leipzig und Zwickau) bis knapp 36 Prozent (Landkreis Görlitz):

  • Wahlkreis (WK) 151 Nordsachsen: 27,8 % (René Bochmann)

  • WK 151 Leipzig-Land: 24,6 % (Edgar Naujok)

  • WK 155 Meißen: 31,0 % (Barbara Lenk)

  • WK 156 Bautzen I: 33,4 % (Karsten Hilse)

  • WK 157 Görlitz: 35,8 % (Tino Chrupalla)

  • WK 158 Sächsische Schweiz – Osterzgebirge: 33,0 % (Steffen Janich)

  • WK 161 Mittelsachsen: 33,4 % (Carolin Bachmann)

  • WK 163 Chemnitzer Umland – Erzgebirgskreis II: 28,9 %(Mike Moncsek)

  • WK 164 Erzgebirgskreis I: 31,7 % (Thomas Dietz)

  • WK 165 Zwickau: 25,6 % (Matthias Moosdorf)


Wegen dieser unerwartet hohen Zahl an gewonnenen Direktmandaten zieht diesmal kein weiterer Vertreter der AfD über die Landesliste der Partei ein. Dadurch verfehlen einige prominente und eigentlich durchaus aussichtsreich platzierte Kandidaten, die insbesondere die großen Städte vertreten wollten, den (Wieder-)Einzug ins Parlament, darunter vier bisherige Bundestagsabgeordnete:

  • Listenplatz 2: Jens Maier, MdB (WK Dresden I)

  • Listenplatz 3: Siegbert Droese, MdB (WK Leipzig II)

  • Listenplatz 5: Andreas Harlaß (WK Dresden II - Bautzen II)

  • Listenplatz 8: Ulrich Oehme, MdB (kein Direktwahlkreis)

  • Listenplatz 9: Christoph Neumann, MdB (WK Leipzig I)


Dabei verfehlt Andreas Harlaß, Pressesprecher der AfD Sachsen und der Landtagsfraktion, das Direktmandat in seinem Wahlkreis nur äußerst knapp um 35 Stimmen. Die zehn Abgeordneten der sächsischen AfD sind bis auf den Bundesvorsitzenden Tino Chrupalla aus Görlitz und Karsten Hilse aus Bautzen, die ihre Wahlkreise bereits 2017 direkt gewonnen hatten, alles Neulinge im Parlament. Den Wiedereinzug verfehlt haben u.a. Jens Maier aus Dresden, Obmann des offiziell aufgelösten „Flügels“, Siegbert Droese aus Leipzig, stellvertretender Landesvorsitzender und Kreisvorsitzender in Leipzig, sowie Christoph Neumann aus Leipzig, erfolgloser Kandidat zur Oberbürgermeisterwahl 2020 in Leipzig.


Gewählte AfD-Abgeordnete aus Leipzig und Umgebung
Anders als Siegbert Droese und Christoph Neumann, die weiterhin dem Leipziger Stadtrat angehören, gelingt einem anderen Leipziger der Einzug in den Bundestag: Der Musiker Matthias Moosdorf (Jg. 1965), Gründer des Leipziger Streichquartetts, gewinnt im Wahlkreis Zwickau das Direktmandat. Er war zuvor bereits als Mitarbeiter eines AfD-Abgeordneten aus Bayern im Bundestag gearbeitet und 2018 die Kampagne der AfD gegen den UN-Migrationspakt organisiert. Als einstiger Vertrauter der früheren AfD-Vorsitzenden Frauke Petry ist er in der Partei allerdings umstritten. Auf eine Kandidatur für die Landesliste hat er Anfang des Jahres mangels Erfolgsaussichten verzichtet. In Zwickau gab es nach dem Parteiaustritt von mehreren Vorstandsmitgliedern, darunter der bisherige AfD-Kreisvorsitzende und Landtagsabgeordnete Wolfram Keil, Bestrebungen, Moosdorf als Direktkandidaten nochmal auszutauschen. Dazu ist es letztlich nicht gekommen. Zu groß war offensichtlich das Risiko, dass die AfD in Zwickau nach 2017 nochmal ohne eigenen Kandidaten in die Wahl geht.1
Moosdorf wohnt nicht in Zwickau, sondern in Collm bei Oschatz (Nordsachsen). In diesem Wahlkreis hat René Bochmann (Jg. 1969) aus Bad Düben das Direktmandat gewonnen. Anders als Moosdorf stand er auch auf der Landesliste der AfD, aber nur auf dem aussichtslosen Platz 15. Das frühere SED-Mitglied (1987–1990) ist seit 2016 Mitglied der AfD und schnell zum Kreisvorsitzenden aufgestiegen. Seine Hinwendung zur AfD habe 2015 mit der Teilnahme an Pegida- und Legida-Demonstrationen begonnen, so Bochmann im August 2021 in der Leipziger Volkszeitung.

Seit 2019 sitzt Bochmann für die Partei im Kreistag von Nordsachsen, den Einzug in den Landtag hat er in selben Jahr verfehlt. Der gelernte Bürokaufmann hat seitdem für die nordsächsische Landtagsabgeordnete Gudrun Petzold gearbeitet.
Im Wahlkampf wurde Bochmann von Felice Ferrer Vargas aus Leipzig unterstützt. Sie ist Mitglied im Landesvorstand der AfD-Jugendorganisation „Jungen Alternative“ (JA) und auf Vorschlag der AfD Stadtbezirksbeirätin in Leipzig-Südwest. Sie hat Bochmann mehrfach für den YouTube-Kanal der AfD Nordsachsen interviewt.

Der Landkreis Leipzig wird zukünftig durch Edgar Naujok (Jg. 1960) aus Markranstädt im Bundestag vertreten. Der Geschäftsführer einer IT-Firma gewinnt das Direktmandat nur knapp, sein Vorsprung vor dem CDU-Kandidaten beträgt weniger als 300 Stimmen. Auf der Landesliste stander – noch hinter Bochmann – auf Platz 16. Der gebürtige Oggersheimer, der lange in Altenburg in Thüringen lebte, ist seit 2016 AfD-Mitglied und seit 2017 Kreisvorsitzender der AfD im Landkreis Leipzig. Bei der Kommunalwahl 2019 verfehlte er den Einzug in den Stadtrat von Markranstädt. Erst 2021 rückte er in das Gremium nach, nachdem zwei AfD-Stadträte aus der Partei ausgetreten waren und ihre Mandate niederlegten.
Politisch aktiv war Naujok bereits vor mehr als zehn Jahren. Er war 2009 „Parteipräsident“ der „Demokratischen Bürgerbewegung!“ (D-BÜ) mit Sitz in Altenburg. Diese Kleinstpartei, gegründet als „Deutschland for YOU!“ (D4U), forderte unter anderem „Mehr Selbstbestimmung der Menschen“ und „Wieder mehr Souveränität der EU-Staaten“ sowie „Strikte Neutralität nach dem Muster der Schweiz“. Zum Programm gehörte außerdem die „Einführung der Natürlichen Wirtschaftsordnung nach Silvio Gesell (u.a. Verschwinden des Zinses)“. Der Deutsch-Argentinier Gesell (1862–1930) war Anfang des 20. Jahrhunderts Begründer der sogenannten „Freiwirtschaftslehre“ und der Idee des „Schwundgeldes“. Von Kritiker*innen wird ihm eine verkürzte Kapitalismuskritik und die Reproduktion von strukturell antisemitischem Gedankengut vorgeworfen. Naujoks Partei blieb erfolglos. Sie wurde 2009 nicht zur Teilnahme an der Bundestagswahl zugelassen. Bei der Landtagswahl im gleichen Jahr unterstützte der sächsische Landesverband die damalige Regionalpartei „Freie Sachsen – Allianz unabhängiger Wähler“.


AfD-Ergebnisse in Nordsachsen
Im Wahlkreis 151 Nordsachsen steigert die AfD ihr Ergebnis leicht – bei den Zweitstimmen um 0,4 auf 27,2 Prozent, bei den Erststimmen um 1,0 auf 27,8 Prozent. Besonders hohe Ergebnisse erzielt die AfD in den Gemeinden im Osten des Landkreises:

  • Arzberg: 37,8 % (+6,6)

  • Mockrehna: 35,3 % (+1,8)

  • Elsnig: 34,8 % (+5,1)

  • Laußig: 34,5 % (+3,2)

  • Liebschützberg: 34,0 % (+5,1)

  • Belgern-Schildau: 33,8 % (+2)


Am schwächsten sind die Ergebnissein einigen näher an Leipzig gelegenen Orten. Aber auch hier sind es noch über 20 Prozent:

  • Taucha: 21,1 % (-3,3)

  • Delitzsch: 23 % (+0,2)

  • Jesewitz: 23,1 % (-3,4)

  • Rackwitz: 24,2 % (-2,6)

  • Schkeuditz: 24,2 % (-2,4)

  • Bad Düben: 24,8 % (+1,9)


Ergebnisse in weiteren (Mittel-)Städten:

  • Mügeln: 30,9 % (+3,3)

  • Wermsdorf: 30,3 % (-1)

  • Oschatz: 28,7 % (-0,6)

  • Torgau: 27,2 % (+1,3)

  • Eilenburg: 27,3 % (+0,4)

  • Dahlen: 26,2 % (+0,2)

AfD-Ergebnisse im Landkreis Leipzig

Anders als in Nordsachsen verliert die AfD im Wahlkreis 152 Leipzig-Land gegenüber der vorigen Bundestagswahl an Zuspruch. Bei den Zweitstimmen geht das Ergebnis um 2,9 Prozentpunkte auf 24,0 Prozent zurück, bei den Erststimmen sogar um 4,1 Prozentpunkte auf 24,6 Prozent.

Den größten Zuspruch erzielt die AfD in diesen Gemeinden:

  • Elstertrebnitz: 32,6 % (+6)

  • Otterwisch: 31,7 % (+3,4)

  • Trebsen: 31,2 % (+0,3)

  • Kitzscher: 30,2 % (+1,3)

  • Regis-Breitingen: 29,6 % (+1,9)



Am schwächsten ist die AfD auch in diesem Landkreis in den zentral gelegen Orten nahe Leipzig:

  • Markkleeberg: 13,8 % (-5,4)

  • Borsdorf: 19,7 % (-5,1)

  • Machern: 20 % (-3,3)

  • Großpösna: 20,1 % (-4,5)

  • Naunhof: 21,3 % (-4,1)

  • Markranstädt: 21,6 % (-4,1)


Ergebnisse in weiteren (Mittel-)Städten:

  • Colditz: 28,5 % (-0,9)

  • Wurzen: 28 % (-3,9)

  • Grimma: 27,6 % (-3,5)

  • Frohburg: 26,1 % (-3,5)

  • Borna: 26,1 % (-3,6)

  • Geithain: 24,4 % (+0,5)

  • Groitzsch: 24,3 % (+1,1)

  • Pegau: 23,7 % (-1,2)

  • Zwenkau: 22,7 (-1,5)

  • Böhlen: 22,1 % (-2,9)


AfD-Ergebnisse in der Stadt Leipzig

In den beiden Leipziger Wahlkreisen zusammen verliert die AfD bei den Zweitstimmen ganze fünf Prozentpunkte und kommt nur noch auf 13,3 Prozent. Im WK I (Leipzig-Nord) liegt die Partei bei den Zweitstimmen mit 15,6 Prozent (-5,3) an zweiter Stelle hinter der SPD, knapp vor Grünen und CDU, bei den Erststimmen mit 15,9 Prozent (-4,5) an dritter Stelle hinter den Kandidaten von CDU und SPD, knapp vor der Kandidatin der Linken. Im WK II (Leipzig-Süd) liegt die AfD mit 11,2 Prozent (-4,7) der abgegebenen Zweitstimmen und 11,5 Prozent (-3,4) der Erststimmen abgeschlagen an fünfter Stelle.
Die Hochburgen der AfD in Leipzig liegen wie schon bei vorherigen Land- und Bundestagswahlen vor allem in suburbanen Stadtteilen am Stadtrand: im Osten (Althen-Kleinpösna), Süd-Osten (Liebertwolkwitz, Meusdorf) und Norden (Lindenthal, Seehausen). Aber auch in der Großwohnsiedlung Paunsdorf, die etwas näher am Zentrum der Stadt liegt, gewinnt die AfD. In diesen sechs Ortsteilen liegt die AfD bei den Zweitstimmen vor allen anderen Parteien (in der Auflistung fett markiert). Vor vier Jahren waren es noch zehn Ortsteile mehr. Im Westen (Grünau, Lausen, Miltitz) sowie in Mockau-Nord und Thekla kommt die AfD zwar weiter auf hohe Werte, allerdings hat hier diesmal die SPD die Nase vorn:

  • Althen-Kleinpösna: 24,4 %

  • Liebertwolkwitz: 23,9 %

  • Paunsdorf: 23,9 %

  • Grünau-Nord: 23,2 %

  • Lindenthal: 22,9 %

  • Lausen-Grünau: 22,8 %

  • Mockau-Nord: 22,5 %

  • Seehausen: 21,9 %

  • Miltitz: 21,8 %

  • Thekla: 21,6 %

  • Meusdorf: 21,2 %

  • Grünau-Mitte: 21,1 %

Ergebnisse anderer Parteien (NPD, Dritter Weg, Basis)
Die NPD kommt in Sachsen nur noch auf 0,3 Prozent der Zweitstimmen. Auf Direktkandidat*innen hat die Partei verzichtet. Noch schlechter schneidet mit 0,2 Prozent die erstmals zur Bundestagswahl angetretene Partei Der Dritte Weg ab. Ihr einziger Direktkandidat wird im Vogtlandkreis von rund 500 Personen gewählt, was in diesem Wahlkreis 0,4 Prozent der abgegebenen Stimmen entspricht.
Mehr Prozentpunkte erzielt die gerade erst gegründete Partei Die Basis aus dem Spektrum der Corona-Pandemie-Leugner*innen. Sie kommt in Sachsen auf 1,5 Prozent der Zweit- und 1,9 Prozent der Erststimmen. In Nordsachsen liegt die NPD mit 0,4 Prozent minimal über dem Landesdurchschnitt, der Dritte Weg erreicht mit 0,2 Prozent genau den Landeswert. Die Basis liegt mit 1,2 Prozent der Zweit- und 1,5 Prozent der Erststimmen minimal unter dem Landesdurchschnitt. In diesem Wahlkreis haben mit Sandro Oschkinat (Gründer des „Spektrums Aufrechter Demokraten“, ehemaliges AfD-Mitglied) und Sven Asmus noch zwei Einzelpersonen aus dem extrem rechten bzw. verschwörungsideologischen Spektrum kandidiert. Sie erzielen 0,9 bzw. 0,2 Prozent der Erststimmen, zusammen immerhin 1,1 Prozent der abgegebenen Stimmen.
Im Landkreis Leipzig kommen NPD und Dritter Weg mit 0,3 bzw. 0,2 Prozent genau auf ihre Landeswerte. Auch die Basis landet mit 1,5 Prozent der Zweit- und 2,0 Prozent der Zweitstimme fast genau auf ihrem Landesdurchschnitt.
In den beiden Leipziger Wahlkreisen ( Leipzig-Nord und Leipzig-Süd) liegt die NPD mit 0,2 bzw. 0,1 Prozent minimal unter ihrem Landesdurchschnitt. Ähnlich sieht es beim Dritten Weg mit jeweils 0,1 Prozent aus. Auch die Basis schneidet hier sowohl bei den Zweitstimmen (1,3 bzw. 1,4 Prozent) als auch bei den Erststimmen (1,4 bzw. 1,6 Prozent) etwas schwächer ab als im Landesdurchschnitt

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Zuletzt aktualisiert am 06.02.2022